Zur Entstehungsgeschichte des virtuellen Gedenkbuchs
Die Idee, ein virtuelles Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein zu erstellen, wurde vor Jahren im Vorstand des Aktiven Museums Südwestfalen (AMS) geboren. Seine Vorteile gegenüber einer gedruckten Schrift waren schnell formuliert: offener Charakter des Mediums, weltweite Abrufbarkeit und schnellere Erweiterungs- und Korrekturmöglichkeit etwa bei Aufnahme weiterer „vergessener Opfer“ selbst nach Jahren oder Änderung fehlerhaften Daten.
Grundlage des virtuellen Gedenkbuches bildeten die Informationen über verfolgte und deportierte Menschen aus dem Gebiet des heutigen Kreises Siegen-Wittgenstein, die seit 1973 vom Aktiven Museum aus verschiedenen Quellen zusammengetragen worden sind. Klaus Dietermann und Ulrich F. Opfermann hatten über Jahrzehnte die Namen der rassisch oder politisch Verfolgten gesammelt. Die Namen der größten Opfergruppe aus dem Bereich der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bzw. Kriegsgefangenen steuerten die Kommunen bei. Der Prozess der Forschung dauert an.
Mit einer Sammlung von Daten allein war es jedoch nicht getan. Zahlreiche methodische Fragen waren zu klären. Die wohl wichtigste ergab sich daraus, wer als ein „Opfer“ des Nationalsozialismus angesehen werden konnte. Sollte ein eng gefasster „Opferbegriff“ gelten, so dass nur Personen aufgenommen würden, die durch das NS-Regime den Tod fanden? Waren Menschen, die diskriminiert und verfolgt wurden, die eine KZ-Haft überlebten, keine Opfer? Rechtliche Überlegungen gaben letztlich den Ausschlag dafür, allein die Namen der Menschen aufzuführen, die in der NS-Zeit oder als Folge davon den Tod fanden.
Der Übergang von einer gedruckten Sammlung zu einem virtuellen Gedenkbuch erforderte weitere Schritte. Der Wunsch nach einer umfassenden Aufbereitung, Veröffentlichung, Einbettung in historische und Lernkontexte sowie nach steter Ergänzung der Sammlung ließ die Kooperation entstehen, die dem hier vorliegenden virtuellen Gedenkbuch zugrunde liegt: einer Zusammenarbeit des AMS, des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte und des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte der Universität Siegen, des Zentrums für Informations- und Medientechnologie der Universität und des Kreisarchivs Siegen-Wittgenstein.
Darüber hinaus gelang es dem AMS als Mitglied im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten NRW, Mittel bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW für die Implementierung des Aktiven Gedenkbuchs zu erhalten. So konnte das Aktive Gedenkbuch als virtuelles Gedenkbuch Gestalt annehmen. Seit dem 27. Januar 2015 ist es für alle Interessierten zur Nutzung und Ergänzung offen.
Damit ist noch ein weiterer Schritt gemacht, soll doch über das virtuelle Medium die Erinnerung in reale Kontexte hineinwirken und zu vielfältigen Auseinandersetzungen anregen. Was auf diese Weise an Lehr- und Lernformen entsteht, kann dann wieder im Netz auf den Seiten des virtuellen Gedenkbuches Raum finden (Rubrik Materialien). Wir freuen uns auf einen regen Austausch.