Modul: „Wie wollen wir erinnern?“ – Geschichte wird zum „Ernstfall“: Das Beispiel Walter Krämer
Der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, gehört zum demokratischen Selbstverständnis in Deutschland und der Welt. Die Frage, wie den Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden soll, beschäftigt allerdings jede Generation immer aufs Neue. Über die „richtige“ Erinnerung streitet man sich meist erst, wenn die Erinnerung an einzelne Menschen oder bestimmte Ereignisse in den Blickpunkt rücken. Dann wird die Vergangenheit aktuell, sie wird zum „Ernstfall“.
Die wechselvolle Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und Holocaust wird als „Zweite Geschichte des Nationalsozialismus bezeichnet. Die dabei vorgenommenen Bewertungen spiegeln vor allem die Normen und Werte der Diskutierenden wider. Die sachliche Richtigkeit und Triftigkeit der Argumentationen sind somit nur zwei Untersuchungsaspekte, die lediglich mit genauer Kenntnis der überlieferten Quellen zu prüfen sind.
Mindestens ebenso spannend ist es, die teils ideologisch geprägten Positionen der Diskutierenden in den Zeitkontext einzuordnen. So entsteht ein aufschlussreiches Bild zur regionalen Erinnerungskultur, ihren prägenden Akteuren und Ereignissen. Jeder erinnert anders bzw. verwirft die Erinnerung aus vermeintlich guten Gründen. Die Debatte um eine Ehrung Walter Krämers in Siegen kann am Beispiel der ausgewählten Leserbriefe und Zeitungsartikel nachvollzogen werden. Sie beginnt 1984 mit dem Vorschlag der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Walter Krämer, der als „Arzt von Buchenwald“ international bekannt war, auch in seiner Heimatstadt angemessen zu gedenken. Erst im Jahr 2014 findet die Debatte einen Schlusspunkt, als der Platz vor dem neuen Kreisklinikum nach ihm benannt wird.