Jagusch, Robert

Nachname: Jagusch

Vorname: Robert

Geburtstag: 24.2.1888

Geburtsort: Nibork in Masuren (polnisch: Nidzica, deutsch: Neidenburg) (Polen)

Wohnort(e): Nibork; Dortmund-Barop; Siegen

Beruf/Erwerbstätigkeit: Brauer und Kaufmann

Religion: unbekannt

Deportationsdatum: Juni 1938

Haftort(e): u. a. KZ Sachsenhausen

Todestag: 24. oder 25.6.1938

Todesort: KZ Sachsenhausen

Biografie:
Die jüdische Familie Jagusch migrierte um 1915 aus Nibork in Masuren an die Ruhr nach Dortmund-Barop. Robert Jagusch wie auch die mutmaßlichen Brüder Alfred und Max waren Brauer, Alfred zusätzlich Schlosser, Emil „Arbeiter“, „Putzer“ und „Musiker“, die vermutliche Schwester Alwine Jagusch Hausmädchen. Als Mutter ist die 1858 oder 1861 in Nibork geborene Johanna Jagusch geb. Katzki anzunehmen. Der Vater bleibt unbestimmt. Wahrscheinlich hieß er Adolf Jagusch (verstorben zwischen 1901 und 1915) und arbeitete in der neuen Heimat als Bergmann.
Die Familie wich nach sozialer und geografischer Zuordnung auffällig vom Durchschnitt der westfälischen jüdischen Familien ab. Das Verhältnis zur etablierten jüdischen Glaubensgemeinschaft scheint distanziert gewesen zu sein.
Alfred, Max und Robert nahmen als Soldaten, Emil, der Jüngste, im Vaterländischen Hilfsdienst am Ersten Weltkrieg teil.
1916 heiratete Robert Jagusch Paula Fechenbach (geb. 7.1.1889) aus Igersheim bei Bad Mergentheim. Paula kam aus einem seit langem in der Region beheimateten jüdischen Familienverband, zu dem auch der 1894 geborene Journalist und politische Aktivist Felix Fechenbach gehörte, Mitglied der USPD und der marxistisch-zionistischen Gruppe Poale Zion.
Paula und Robert Jagusch kamen 1926/27 nach Siegen. Dort arbeitete Robert als kaufmännischer Angestellter. Kinder gab es nicht. Das Ehepaar wohnte am Wellersberg in der Schillerstraße 4. Paula betrieb dort zeitweise eine Butter- und Eierhandlung. Man lebte in einer bürgerlichen Wohnumgebung, die nach einem Umzug in die Körnerstraße 5 beibehalten wurde.
Robert und Paula Jagusch standen außerhalb der Jüdischen Gemeinde. Robert schloss sich spätestens in Siegen der KPD an. Im linken Siegener Arbeitermilieu muss das Paar eine auffällige Erscheinung gewesen sein. Ein Zeitzeuge beschreibt Robert als besonders gebildet, Paula als „sehr bürgerlich“.
Die mit dem Machtübergang an die NSDAP und ihre Partner einsetzende Verfolgung der politischen Linken und der Juden dürfte die beiden kaum überrascht haben. Robert Jagusch, so ein Zeitzeuge, sei gleich zu Beginn als erster Siegerländer Kommunist misshandelt worden. Paulas Verwandter Felix Fechenbach wurde kurz nach den März-Wahlen 1933 festgenommen und auf dem Transport in das KZ Dachau in der Nähe von Warburg nach Misshandlungen erschossen.
1938 fanden reichsweite Razzien gegen als „asozial“ und „arbeitsscheu“ eingestufte Menschen statt. In Siegen waren die lokalen Behörden mit einer Reihe von Verhaftungen zumindest an der „Juni-Aktion“ beteiligt. Sie nutzten die Gelegenheit, sich dabei auch einiger Kommunisten zu entledigen. Gemeinsam mit mindestens seinem Genossen Karl Kuhndörfer wurde Jagusch festgenommen und in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er am 22.6.1938 eintraf.
Am 24., „nachmittags um vier Uhr“ (vielleicht auch am Tag darauf), wurde er erschossen. Nach den Lagerdaten kamen bei ihm drei Verfolgungsmotive zusammen: Er war Kommunist, galt nach völkisch-rassischen Kriterien als „Jude“ und zudem als „arbeitsscheu“. Letzter Beruf war – bewirkt durch vorausgegangene Zwangsentlassung – „Hilfsarbeiter“.
Nach dem Tod von Robert beantragte Paula die Ausreise in die USA. Im November 1939 entkam sie nach Baltimore.
Die Geschichte der übrigen Familie liegt noch weitgehend im Dunkeln. Die Mutter wurde am 29.7.1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie am 29.9.1942 starb. Alfred überlebte wohl die Verfolgung: ein Dortmunder Alfred Jagusch stellte für sich und seine mutmaßlichen Kinder Dieter und Thekla in Bad Mergentheim Wiedergutmachungsanträge. Sterbedatum der beiden war der 31.12.1942. Von Alwine und Max Jagusch ist nichts weiter bekannt. Emil war bereits 1924 verstorben.

Autor/in der Biografie: Ulrich F. Opfermann, 2015

Quelle(n): Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, Regierungspräsident Arnsberg, Wiedergutmachungen, Nr. 423.440, Nr. 625.271; ebenda, Abt. Rheinland, NW 1.037-A/Reg.-12.117 (Eduard Krahe); Stadtarchiv Siegen, Meldekartei Siegen; Adress-/Einwohnerbuch 1927/28, 1935; Walter Thiemann, Von den Juden im Siegerland, Siegen 1968, S. 33; persönliche Mitteilung Ernst Stein, 28.10.1987; Yad Vashem (Israel); (Siegerländer) National-Zeitung, 16.7.1934; Siegener Zeitung, 5.4.1933; Mitteilung der Gedenkstätte Sachsenhausen; Ulrich Friedrich Opfermann, Paula Fechenbach und Robert Jagusch. Jüdische Lebensgeschichten im 20. Jahrhundert, in: Siegener Beiträge 17 (2012), S. 223-246; Edith Raim, Die Familie Fechenbach zwischen Integration und Verfolgung, in: Geschichte quer. Zeitschrift der Geschichtswerkstätten in Bayern, 14 (2009), S. 41-43

Stolperstein Verlegedatum: 19.5.2011

Stolperstein Verlegort: Körnerstraße 5, Siegen